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Zwischenräume: Comics & Disability Studies

Comic Held*innen – Sie sind die Held*innen unserer Kindheit und üben auf viele auch im Erwachsenenalter eine starke Faszination aus. Wie sollte es auch anders sein? – Sie kämpfen gegen das Böse, haben übermenschliche Fähigkeiten, beschützen jene, die Schutz brauchen und vernichten die die den Frieden und das Gute gefährden. Kein Wunder also, dass es die vielfältigsten Varianten gibt, sich mit Comics auseinander zu setzen, sei es als lediglich als Leser*in oder aber als Comiczeichner*in oder als Wissenschaftler*in im Bereich Comicforschung.

 

Das Institut für Medienkultur und Theater widmet sich seit einigen Semestern verstärkt der Comicforschung und bietet hierzu breit aufgestellte Veranstaltungen für Studierende an. Zur Zeit laufen die letzten Vorbereitung für die große Jahrestagung der Gesellschaft für Comicforschung – kurz ComFor – die jährlich wechselnd an unterschiedlichen Universitäten stattfindet.

Die Gesellschaft für Comicforschung ist ein Verein, der den Zweck verfolgt, Wissenschaft und Forschung im deutschsprachigen Raum in allen Bereichen, die den Comic betreffen, zu fördern und zu vernetzen. Die jährliche Wissenschaftstagung ist eines der Mittel, um dies zu verwirklichen. Für 2018 haben Dr. Véronique Sina (Institut für Medienkultur und Theater) und Nina Heindl, M.A. (a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities Cologne) den Auftrag des Vereins erhalten, die ComFor-Jahrestagung an der Universität zu Köln auszurichten.

Ein Themenfeld wurde bei den bisherigen Jahrestagungen aber lediglich im Hintergrund behandelt: Die Frage nach Geschlecht und Diversität. Diese wurde zwar mitgedacht und berücksichtigt, doch fand die gendertheoretische und queer-feministische Comicforschung meist nur am Rande statt. Die ComFor-Jahrestagung 2018 rückt nun diese Zugänge des ‚Zwischenraums‘, zu denen auch  intersektionale Perspektiven und Ansätze der Disability Studies zählen, dezidiert in den Fokus und fragt danach, wie Geschlecht, Identität und Diversität in der sequenziellen Kunst dargestellt und verhandelt werden.

Das Echo, das die beiden Organisatorinnen mit diesem Ansatz bekamen, war überwältigend: 70 Einreichungen aus 21 Ländern trafen auf ihren Call for Papers bei Nina Heindl und Dr. Véronique Sina  ein. Darunter waren auch Einreichungen aus Indien, Taiwan, Schweden, Dänemark, Frankreich, England und viele aus den USA.

 

"Wir haben gehofft, dass das Thema auf gute Resonanz stößt, aber dass es so gut ankommen würde, hat uns dann doch überrascht", sagt Dr. Véronique Sina.

Das reichhaltige internationale Programm, das die beiden Wissenschaftlerinnen nun zusammengesetzt haben, präsentiert 30 Vorträge, zwei Keynotes und eine Artistic Lecture.

Das Titelmotiv, das Plakate, Programm und alles rund um die Tagung ziert, hat die Berliner Comickünstlerin Aisha Franz extra für die Tagung entworfen. Nina Heindl und Véronique Sina hatten die Künstlerin auf einer vergangenen Tagung kennengelernt und waren sofort von ihrem Stil und ihrer offenen Art begeistert. Als sie mit der Ausrichtung der Tagung begannen, war ihnen daher sogleich klar, wen sie für ein Leitmotiv fragen würden.

"Wir haben uns gewünscht, dass Aisha Franz die Gestaltung übernimmt, aber waren doch etwas am Zweifeln, ob es wohl klappt. Als sie dann umgehend zugesagt hat, haben wir uns riesig gefreut und das Ergebnis ist einfach fantastisch!"

 

„Comics und Disability Studies“ – Medienpraxis-Seminar für Studierende

Begleitend zur ComFor-Tagung fand im Vorfeld das von Dr. Véronique Sina unterrichtete Medienpraxis-Seminar „Comics und Disability Studies“ am Institut für Medienkultur und Theater statt. Die Studierenden erhielten hier einen ersten theoretischen Einblick in das interdisziplinäre Forschungsfeld der Disability Studies.

Vornehmlich in den USA und Großbritannien etabliert, beschäftigen sich die Disability Studies mit der diskursiven Hervorbringung sowie Aufrechterhaltung von ‚Behinderung’ in Gesellschaft, Kultur, Politik und Medien. Innerhalb der internationalen Comicforschung gibt es bisher nur relativ wenige Forschungsarbeiten, die sich explizit mit dem Thema Disability bzw. mit Ansätzen der Disability Studies beschäftigen. Ziel des Seminars ist es daher, das Medium Comic mit Hilfe dieses ‚neuen’ Zugangs zu beleuchten und so den Erkenntnisgewinn für die analytische Betrachtung medialer Formen unter der Perspektivierung der Disability Studies für die Comicforschung zu veranschaulichen.

Die Poster nehmen die Wechselbeziehung zwischen Comics und der Kategorie Behinderung genau in den Blick.  Anhand ausgewählter Beispiele, wie etwa der populären Comic- und TV-Serie THE WALKING DEAD oder dem blinden Superhelden DAREDEVIL wurden mediale Strategien der Visualisierung und Narrativierung von ‚Behinderung‘ analysiert und die Verbindung bzw. Wechselwirkung von ‚Behinderung’ mit anderen Strukturkategorien wie etwa Geschlecht, Sexualität, Alter, Klasse, Nationalität, Religion oder Ethnizität, verdeutlicht.

Das Seminar war von Beginn an an die Tagung gekoppelt, so dass eine Postererstellung sowie die Ausstellung dieser im Rahmen der Konferenz einen willkommenen Praxisbezug bot. Zwei der Studierenden-Teams stellen uns hier Ihre Poster und Erkenntnisse vor.

 

 

Gender in Life and Death – The Walking Dead

Jacqueline Rehse und Philin Zwirner beschäftigten sich mit der Frage, ob Gender – also das soziokulturelle Geschlecht – für die Darstellung der Zombies in THE WALKING DEAD relevant ist.

Sie kamen zu dem Ergebnis, dass das Geschlecht der Untoten quasi verloren geht, wenn sie in einer bedrohlichen Masse gezeigt werden, es aber weiterhin eine Rolle spielt, wenn sie vorher in engem Kontakt zur Gruppe der Protagonist*innen standen.

In letzterem Fall ist an den Geschwisterbeispielen der Figuren Amy and Andrea sowie Daryl und Merle erkennbar, dass Frauen aus dieser „Ingroup“ als Menschen häufig stereotypisch zart und hilflos dargestellt werden, nach ihrer Transformation zum Zombie kaum Verwesungsmerkmale aufweisen und schnell in den endgültigen Tod erlöst werden.

Männer jedoch, werden im Fall von Merle stereotypisch als weißer Mann der Unterschicht – stark und aggressiv – portraitiert, mutieren häufig im heroischen Kampf auf dem Schlachtfeld zum Zombie, zeigen deutliche Verwesungsmerkmale auf und stillen sofort ihren Fresstrieb. Männliche Figuren verlieren dementsprechend häufig ihre geschlechtliche Identität nach der Transformation zum Zombie und werden zur unmittelbaren Bedrohung, während Frauen ihre auf Gender basierende Identität nicht verlieren müssen, und vom Publikum eher bedauert als gefürchtet werden. 

 

 

DAREDEVIL – What do we ever have to fear from a blind man?

Vera Backhausen und Tomke Roth nahmen den Helden DAREDEVIL unter die Lupe und untersuchten damit Frage wie ‚Behinderung’ im Medium Comic verhandelt wird. 

Sie kamen zu dem Schluss, dass Menschen mit Behinderung von der Gesellschaft als ‚Andersartige‘ ausgegrenzt und abgewertet werden. Deshalb scheinen betroffene Personen Strategien zu entwickeln, um eine ‚normale‘ Version von sich zu schaffen, sodass sie den gesellschaftlichen Normen entsprechen.

Eine Möglichkeit dies zu erreichen ist das ‚passing‘, also die erfolgreiche Selbstdarstellung als jemand, der man nicht ist. In DAREDEVIL erfindet Matt z.B. seinen sehenden Zwillingsbruder Mike und das Superhelden Alter Ego Daredevil. Zwar gelingt es Matt durch das ‚passing‘ die gesellschaftlichen Vorurteile für sich zu nutzen, jedoch kommt er an einen Punkt, an dem er ständig eine Rolle spielt, und somit den Zugang zu seiner eigenen Identität verliert. Er changiert stets zwischen dem stigmatisierten, behinderten Körper Matts, dem heteronormativen Mike und dem hypermaskulinen Superhelden Daredevil.

In DAREDEVIL belastet das ‚passing‘ Matt sowohl mental, als auch physisch, jedoch erhält er so die Macht, selbst über sein Bild, dass er selbst und andere von ihm haben zu bestimmen. ‚Passing‘ benötigt also gesellschaftliche Stereotypen und bietet die Gelegenheit über die Selbstdarstellung zu entscheiden, jedoch verstärkt es ebendiese Stereotypen auch.

Sie kamen zu dem Schluss, dass Menschen mit Behinderung von der Gesellschaft als ‚Andersartige‘ ausgegrenzt und abgewertet werden. Deshalb scheinen betroffene Personen Strategien zu entwickeln, um eine ‚normale‘ Version von sich zu schaffen, sodass sie den gesellschaftlichen Normen entsprechen.

Eine Möglichkeit dies zu erreichen ist das ‚passing‘, also die erfolgreiche Selbstdarstellung als jemand, der man nicht ist. In DAREDEVIL erfindet Matt z.B. seinen sehenden Zwillingsbruder Mike und das Superhelden Alter Ego Daredevil. Zwar gelingt es Matt durch das ‚passing‘ die gesellschaftlichen Vorurteile für sich zu nutzen, jedoch kommt er an einen Punkt, an dem er ständig eine Rolle spielt, und somit den Zugang zu seiner eigenen Identität verliert. Er changiert stets zwischen dem stigmatisierten, behinderten Körper Matts, dem heteronormativen Mike und dem hypermaskulinen Superhelden Daredevil.

In DAREDEVIL belastet das ‚passing‘ Matt sowohl mental, als auch physisch, jedoch erhält er so die Macht, selbst über sein Bild, dass er selbst und andere von ihm haben zu bestimmen. ‚Passing‘ benötigt also gesellschaftliche Stereotypen und bietet die Gelegenheit über die Selbstdarstellung zu entscheiden, jedoch verstärkt es ebendiese Stereotypen auch. 

 

 

The Hybrid Bodies of Charles Burns

Jonas Neldner beschäftigt sich über sein Studium hinaus mit dem Thema Comics und Disability Studies. Bei der 13. Wissenschaftstagung der Gesellschaft für Comicforschung referiert er gemeinsam mit seinen Kolleg*innen Olga Tarapata (Köln) und Natalie Veith (Frankfurt am Main) im ersten Panel REPRESENTATIONS OF DIS/ABILITY.

Die Senisbilität für das Thema Behinderung ist für Jonas Neldner allgemein ein wichtiges Thema, so dass er auch im Bezug auf dessen mediale Darstellung die Bedeutsamkeit im Alltag betont. Comics stellen dabei eine sehr interessantes Medium dar:

"Durch das wiederkehrende Zeichnen einer Behinderung in einem Comic entsteht eine viel sensiblere Wahrnehmung für diese, als dies beispielsweise beim Schreiben von Romanen der Fall ist."

Sein Vortrag bringt den Zuhörer*innen die zerstörten Körperbilder in den Werken des US-amerikanischen Comickünstlers Charles Burns und deren Ursprung näher.

Weitere Informationen

...zur Ausstellung:

https://www.comicgesellschaft.de/ausstellung-comfor-jahrestagung-2018/

...zum Programm:

https://www.comicgesellschaft.de/category/comicgesellschaft/jahrestagungen/

 

Story-Konzept: Constanze Alpen, Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation der Philosophischen Fakultät

Video und Bildmaterial: Marlène Tencha, Mirjam Utz (Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation der Philosophischen Fakultät)

Webgestaltung: Constanze Alpen

Weitere Stories der Fakultät unter: http://phil-fak.uni-koeln.de/phil-stories.html