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Forschungsprojekte der Philosophischen Fakultät 2017/2018

Der deutsche Rechnungshof im Wechsel der politischen Systeme des 20. Jahrhunderts

Bundesarchiv, Bild 146-2006-0219, Foto: o.a. | o. Dat.

Prof. Dr. Hans-Peter Ullmann | Neuere Geschichte

Das Projekt wird durch den Bundesrechnungshof gefördert

"Am jeweiligen Stand und an der Funktionalität des Rechnungswesens und seiner Prüfung“ könne man „das Schicksal eines Staates im Voraus, gewissermaßen barometrisch“ ablesen, schrieb der 1933 vor den Nationalsozialisten geflüchtete SPD-Abgeordnete und Finanzexperte Kurt Heinig in seinem grundlegenden Werk „Das Budget“. Denn es handle sich bei der Haushaltskontrolle keineswegs um eine „Nebenfunktion staatlicher Finanzverwaltung“; im Gegenteil: „Kasse ohne laufende Kontrolle“ sei „Regierung ohne Verantwortlichkeit, also Diktatur“. Die Finanzkontrolle bildet mithin einen unverzichtbaren Teil der finanzpolitischen und über diese hinaus der politischen Entscheidungsprozesse. Sie findet sich in national verschieden organisierten Rechnungshöfen institutionalisiert. Für Deutschland war das auf zentralstaatlicher Ebene seit 1871 der Rechnungshof des Deutschen Reichs, der nach zonalen Übergangsbehörden während der alliierten Besatzungszeit 1950 im Bundesrechnungshof aufging.
Der Rechnungshof generierte spezifische Vorstellungen von Ordnung, die oft medienwirksam inszeniert auf Politik und Gesellschaft einwirkten, und reagierte zugleich auf Ordnungskonzepte und -zumutungen, die an ihn herangetragen wurden. Insoweit lässt er sich als Hüter einer gleichermaßen fiskalischen wie staatlichen Ordnung begreifen, die stets fragil und oft illusionär war, vor allem aber durch Praktiken des Kontrollierens, Ordnens und Überwachsens wesentlich mit hervorgebracht wurde. Diese Ordnungs- und Orientierungsleistungen waren einerseits durch Kontinuitäten, eigene Logiken und Chronologien bestimmt, prägten sich andererseits im Wechsel der politischen Systeme unterschiedlich aus.
Das vom Bundesrechnungshof finanzierte Projekt untersucht erstmals die Geschichte des Rechnungshofs in Deutschland auf breiter empirischer Grundlage epochenübergreifend von der Weimarer Republik bis in die frühe Bundesrepublik mit einem Schwerpunkt auf der Zeit des Nationalsozialismus. So stellt es die regimeloyale Tätigkeit der Behörde während des „Dritten Reichs“ in längerfristige personelle, institutionelle und prüfungstechnische Entwicklungen und befragt diese auf das Verhältnis von Kontinuität und Bruch sowie auf Handlungsspielräume und -alternativen der prüfenden Akteure.

Text: Hans-Peter Ullmann

 

Abbildung rechts im Text: Bundesarchiv, Bild 102-09016, Foto: o.a., Januar 1930 | Abbildung unten: Bundesarchiv Bild 145-F006-72-0007, Foto: o.a., Januar 1958

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