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ERC Advanced Grants


2025

Professor Dr. Richard Bußmann / Projekt: SUBALTERNEGY

 vom Institut für Afrikanistik und Ägyptologie der Universität zu Köln ist mit dem begehrten Advanced Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC) ausgezeichnet worden. Insgesamt erhält er über fünf Jahre bis zu 2,9 Millionen Euro an Forschungsgeldern. Der ERC Advanced Grant gilt als wichtigster Förderpreis in der europäischen Forschungslandschaft. „Ich gratuliere Herrn Professor Bußmann zu diesem großartigen Erfolg mit seinem Projekt, das einen innovativen Beitrag zum Verständnis sozialer Beziehungen leistet. Diese bedeutende Auszeichnung unterstreicht die exzellente Forschungsqualität auch in den kleineren Fachgebieten an unserer Universität“, so Professor Dr. Joybrato Mukherjee, Rektor der Universität zu Köln.

Mit seinem zur Förderung ausgewählten Projekt SUBALTERNEGY untersucht Bußmann die soziale Organisation sozial schwacher und entmachteter Gruppen im alten Ägypten. „Die Ägyptologie hat sich traditionell auf die Texte und beeindruckenden Denkmäler privilegierter sozialer Gruppen konzentriert. Es gibt zwar umfangreiche archäologische Befunde, die Einblick in das Alltagsleben lokaler Gemeinschaften geben, aber in unseren Interpretationen der altägyptischen Gesellschaft finden sie bislang wenig Beachtung, so dass wir nach wie vor ein stark elitenverzerrtes Bild vom alten Ägypten haben. Dies ändert das Projekt“, so Bußmann. SUBALTERNEGY untersucht anhand neuer archäologischer Funde und mit einem innovativen theoretischen Zugang, wie die unteren sozialen Gruppen des alten Ägypten in der ersten Phase politischer Zentralisierung in Nordostafrika, der Frühphase des altägyptischen Staates (2700 bis 2200 v. Chr.), auf vorherrschende Konzepte privilegierter Gruppen reagierten.

SUBALTERNEGY nutzt einen interdisziplinären Methodenpool aus Archäologie, Anthropologie, Geophysik, Bildwissenschaften und Kulturgeschichte. Das Projekt geht davon aus, dass Menschen aller sozialen Gruppen nach einem sinnerfüllten Leben streben und sich dafür in sozialen Beziehungen positionieren und positioniert werden. Diese Beziehungen kommen in der materiellen Kultur und gebauten Umwelt zum Ausdruck und können die vorherrschende soziale Ordnung widerspiegeln, reproduzieren oder auch in Frage stellen.

In dem Projekt dokumentiert ein internationales Ausgrabungsteam den Friedhof der altägyptischen Provinzhauptstadt Hebenu, dem heutigen Zawyet Sultan südlich der Stadt el-Minia. Die Skelette der Bestatteten geben Aufschluss über die vielfältigen Lebensrealitäten in den verschiedenen sozialen Gruppen. Die Bestattungskultur dagegen, so eine These des Projekts, zeichnet von der lokalen Gemeinschaft das idealisierte Bild einer „imaginierten Gemeinschaft“. Die Projektteilnehmer*innen untersuchen, wie die Einwohner von Hebenu die Inszenierung des menschlichen Körpers in der Bestattung, die Landschaft und die materielle Kultur dazu nutzten, soziale Beziehungen, die im schriftlichen und visuellen Diskurs der Eliten nicht thematisiert werden, herzustellen. Das Projekt entfaltet damit ein Panorama der altägyptischen Gesellschaft aus der Perspektive subalterner, das heißt unterprivilegierter, Gruppen. Es leistet mit dem Perspektivenwechsel einen Beitrag zur Neuschreibung der frühen Geschichte der sozialen Ungleichheit.

Der ERC Advanced Grant wird an herausragende Wissenschaftler*innen für Projekte vergeben, die bahnbrechende Ergebnisse versprechen, aber aufgrund ihres neuartigen Ansatzes mit Unsicherheit behaftet sind. Antragsberechtigt sind Kandidat*innen europäischer Forschungseinrichtungen, die über mindestes zehn Jahre beachtliche Forschungserfolge nachweisen können. Bei der Auswahl sind die Originalität und die Tragweite des zu erwartenden wissenschaftlichen Beitrags maßgeblich.


 

2021

Professor Dr. Michael Bollig / Projekt: REWILDING

Michael Bollig ist Professor am Institut für Ethnologie und Sprecher des Global South Studies Center (GSSC). Ein Schwerpunkt seiner Forschung sind Mensch-Umwelt-Beziehungen. Mit seinem Projekt REWILDING möchte Bollig einen Beitrag für das immer bedeutender werdende Gebiet der Umweltanthropologie im Allgemeinen leisten und sich dabei insbesondere den komplexen und ständig ändernden Verflechtungen zwischen Mensch, Flora und Fauna in dem im südlichen Afrika gelegenen Kavango-Zambezi-Schutzgebiet (KAZA TFCA, unter Beteiligung der Staaten Angola, Botswana, Namibia, Zambia, Zimbabwe) widmen. Das 2011 gegründete KAZA TFCA ist das größte grenzüberschreitende Natur- und Landschaftsschutzgebiet der Welt. Das Gebiet, das für seinen zukunftsweisenden Naturschutz weltweit bekannt ist, trägt Spuren kolonialer und postkolonialer Vergangenheit. Repressive koloniale Naturschutzmaßnahmen, die großflächige (erfolgreiche) Bekämpfung insektenübertragener Krankheiten und die umfassende Umsiedlung von Menschen strukturieren gegenwärtige Mensch-Umweltbeziehungen und auch Naturschutzbemühungen.

REWILDING ist ein einzigartiger Versuch, die sich verändernden sozio-ökologischen Beziehungen zwischen Menschen und anderen Arten in einem der größten und umfassendsten Naturschutz-Experimente der Welt zu erfassen. REWILDING besteht aus sechs Feldstudien. Hier werden z.B. Elefanten, verschiedene Karnivoren aber auch Mikroben-übertragene Krankheitserreger in ihren dynamischen Beziehungen zu menschengemachten Umweltinfrastrukturen und –technologien, Organisationen und auch wissenschaftlichen Aktivitäten vor dem Hintergrund umfassender Naturschutzmaßnahmen thematisiert.
REWILDING ist eng verzahnt mit dem Sonderforschungsbereich TR228 Future Rural Africa, der zu den Auswirkungen von Landnutzungswandel, ökologischen Dynamiken und sich verändernden Gesellschaften im östlichen und südlichen Afrika arbeitet. Gemeinsam mit den Projekten des Sonderforschungsbereiches interessiert sich REWILDING für die sozioökonomischen Auswirkungen der raschen Kommerzialisierung der vielfältigen Flora und Fauna und für die gesellschaftlichen Konsequenzen des rasch zunehmenden Tourismus. REWILDING ist einzigartig positioniert und zielgerichtet konzipiert, um dadurch neue empirische Erkenntnisse für die zukünftige Begleitung und Planung großflächiger Naturschutzzmaßnahmen zu liefern.
Die Förderung durch den Europäischen Forschungsrat (ERC) leistet einen Beitrag zur weiteren Konsolidierung des Fakultätsschwerpunktes in den Environmental Humanities, der kultur- und geisteswissenschaftlichen Mensch-Umweltforschung; hier hat die Fakultät mit der Entscheidung für eine Schnittstellenprofessur in diesem Bereich im Januar 2021 einen wichtigen Schritt getan.

Michael Bollig hat von 1981 bis 1986 an den Universitäten Bonn und Köln Ethnologie, Geschichte, Afrikanistik und Agrarsoziologie studiert und 1991 am Institut für Ethnologie der Universität Tübingen promoviert. Anschließend wechselte er an die Universität zu Köln, wo er sich 1999 habilitierte. Seit 2000 ist er dort Professor für Ethnologie, seit 2018 stellvertretender Sprecher des SFB TR Future Rural Africa und seit 2020 Sprecher des Cologne Global South Studies Center (GSSC). 2017 wurde Bollig mit dem Leo Spitzer Preis ausgezeichnet, mit dem die Universität zu Köln exzellente Spitzenforscher würdigt.