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Forschungsprojekte der Philosophischen Fakultät 2018/2019

Wie Wörter auf Gebärden treffen

RSLGebärde BRISTOL

Eine korpusbasierte Untersuchung der Mundbilder und des Fingeralphabets in der Russischen Gebärdensprache: Beschreibung und Implikationen für den intermodalen Sprachkontakt

Dr. Anastasia Bauer | Slavisches Institut

Post-Doc-Projekt gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft

 

Die überwiegende Mehrheit aller Gebärdensprachverwender ist mehrsprachig. Sie kommunizieren in einer Gebärdensprache und verfügen über relativ große Kenntnisse der sie umgebenden Lautsprache, allein, weil sie sich dieser im schriftlichen Medium regelmäßig bedienen. Mit anderen Worten, sie gebärden in einer Sprache und lesen und schreiben in der anderen. Die gebärdeten und gesprochenen Sprachen befinden sich also in einem permanenten und engen Kontakt. Der dominante Einfluss der Lautsprache ist in besonderer Weise prägend und hinterlässt tiefe Spuren im Sprachsystem der Gebärdensprache. Das Projekt beschäftigt sich mit den Auswirkungen dieses multimodalen Sprachkontakts.
Eine der sichtbarsten Auswirkungen des Kontakts zwischen gebärdeten und gesprochenen Sprachen stellen die Mundbilder (engl. „mouthings“) dar. Unter Mundbildern versteht man eine meistens lautlose Artikulation eines Wortes. In der Deutschen Gebärdensprache (DGS) treten die Mundbilder sehr häufig in den gebärdensprachlichenÄußerungen auf und können sogar Bedeutungen unterscheiden. So kann eine phonologisch identische DGS-Gebärde von verschiedenen Mundbildern wie: ‚Technik‘, ‚Politik‘, ‚Methode‘, ‚Konstruktion‘ usw. begleitet werden. Die Bedeutung dieser Gebärde entspricht dann dem jeweiligen Mundbild. Es gibt bereits ausführliche Studien zur Verwendung von Mundbildern in vielen Gebärdensprachen. Zur Verwendung lautsprachlicher Elemente in der Russischen Gebärdensprache
(RSL) findet man jedoch noch keine Berichte in der Literatur.


Die Russische Gebärdensprache ist somit für das Projekt mit Bedacht ausgewählt, da sie immer noch, verglichen mit anderen europäischen Gebärdensprachen, völlig unzureichend dokumentiert und erforscht ist. Erst in 2012 wurde die RSL offiziell als Sprache anerkannt.
Am Beispiel der RSL untersucht dieses Projekt, wie sich der Einfluss der lautsprachlichen Umgebung auf die Gebärdensprache zeigt, wie er von dem System Gebärdensprache verarbeitet wird und welche Rolle die Lehnelemente in der Grammatik einer Gebärdensprache innehaben.
Unsere empirische Studie basiert auf Daten des unlängst entstandenen RSL-Korpus (http://rsl.nstu.ru, Burkova 2012-2015, Staatliche Technische Universität Novosibirsk, Russland). Der Korpus enthält über 100.000 Gebärden, aufgenommen in 180 Videos mit 59 gehörlosen RSL-Nutzern. Mit einem Korpusanalysetool ELAN annotieren eine Gebärdensprachlinguistin und ein RSL-Muttersprachler den Korpus um festzustellen wie häufig und in welcher Form die Mundbilder in der RSL vorkommen. Übergreifendes Ziel dieses Projektes ist es, die bimodalen Sprachkontaktphänomene in der RSL erstmalig zu beschreiben und weitere Erkenntnisse über die Interaktion von verschiedenen Sprachmodalitäten zu gewinnen. Die Implikationen der Forschungsergebnisse werden essentiell für die theoretische Modellierung der untersuchten Phänomene in Gebärdensprachgrammatiken sein.


Text: Anastasia Bauer

Kontakt

Slavisches Institut
Dr. Anastasia Bauer

Mitarbeiter*innen: Roman Poryadin

E-Mail anastasia.bauer(at)uni-koeln.de


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