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Forschungsprojekte der Philosophischen Fakultät 2017/2018

Poetik der Miszelle

Zur Koevolution von periodischer Presse und modernem Roman

Dr. Daniela Gretz und Prof. Dr. Nicolas Pethes | Institut für Deutsche Sprache und Literatur I

Teilprojekt in der DFG-Forschergruppe 2288 „Journalliteratur“ (Bochum/Köln/Marburg)

Schon das 19. Jahrhundert kennt populäre Massenmedien – als wichtigstes die Zeitschrift, eine periodische Publikationsform, die sich sowohl im Genre der ‚gehobenen’ Literaturzeitschrift als auch in den diversen Unterhaltungsformaten wie Rundschau oder Familienblatt wachsender Beliebtheit erfreut. Auch als Ort der Erstveröffentlichung eines Großteils der heute nur noch in Buchform geläufigen Romane des 19. Jahrhunderts haben diese Zeitschriften gedient. Entsprechend wurde der Zusammenhang von Zeitschrift und Roman in der jüngeren Forschung insbesondere mit Blick auf deren ursprünglich serielle Fortsetzungsform diskutiert.

Das Forschungsprojekt Poetik der Miszelle setzt aber auf einer noch grundsätzlicheren Ebene an: Es fragt nach den strukturellen und ästhetischen Implikationen, welche die Textform einer Zeitschrift für die zu Beginn des 19. Jahrhunderts ja erst am Anfang ihrer literaturhistorischen Erfolgsgeschichte stehenden Gattung des Romans hatte.

Zu den Eigenheiten dieser Textform gehört neben der Serialität insbesondere ihre Miszellaneität, also das Nebeneinander gänzlich unterschiedlicher Themen, Gattungen und Präsentationsformen: literarische Texte stehen beispielsweise neben Rezensionen, Reiseberichten, biographischen Skizzen oder Nachrichten aus aller Welt. Zwar finden sich solche heterogenen Textformen in den unterschiedlichen Rubriken einer Zeitschrift sortiert, in den konkreten Heften kommen sie aber mitunter gänzlich unvermittelt nach- bzw., je nach Seitenlayout, auch über- und nebeneinander zu stehen.

Vor dem Hintergrund solcher grundsätzlichen Mischungsformen periodischer Publikationen untersucht das Kölner Teilprojekt der ortsverteilten DFG-Forschergruppe
‚Journalliteratur‘, wie die miszellane Struktur von Periodika neue Lektürekompetenzen und -erwartungen hervorgebracht hat, auf die Romanautorinnen und -autoren des 19. Jahrhunderts mit Erzählstrategien der Diskursvermischung (so beispielsweise Jean Paul in seiner Veröffentlichung von D. Katzenbergers Badereise nebst einer Auswahl verbesserter Werkchen), des „Nebeneinander“ (so Karl Gutzkows Charakterisierung seines Romans Die Ritter vom Geiste) oder der Gattungskombination (so z.B. Wilhelm Raabe in seiner „See- und Mordgeschichte“ Stopfkuchen) reagieren. Indem die miszellane Poetik dieser Romane im Kontext der Miszellaneität derjenigen Zeitschriften betrachtet werden, auf die sie sich beziehen bzw. in denen sie erscheinen, können zudem weitere Romane erschlossen werden, die heute vergessen sind, seinerzeit aber in unmittelbarer Nachbarschaft mit unseren kanonischen Ausgangstexten veröffentlicht wurden.


Text: Nicolas Pethes

Kontakt

Institut für deutsche Sprache und Literatur I
Nicolas Pethes

Mitarbeiter
Dr. Marcus Krause

E-Mail npethes(at)uni-koeln.de