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Forschungsprojekte der Philosophischen Fakultät 2018/2019

Sonderforschungsbereich 806 "Our way to Europe"

Culture-Enviroment Interaction and Human Mobility in the Late Quaternary

Prof. Dr. Jürgen Richter | Institut für Ur- und Frühgeschichte (Universität zu Köln), Prof. Dr. Frank Schäbitz | Geographiedidaktik (Universität zu Köln), Prof. Dr. Thomas Litt | Mineralogie und Paläontologie (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn)

Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft

Seit 2009 beschäftigen sich rund 20 Projektgruppen im SFB 806 mit der Entstehung des Modernen Menschen in Afrika vor 300.000 Jahren und seiner Ausbreitung nach Europa. Bohrungen in den Süßwasserseen Äthiopiens und archäologische Prospektionen beleuchten besonders die Kultur- und Umweltverhältnisse der Zeit, in der unsere Vorfahren erstmals auftraten. Kürzlich entdeckte ein Team des SFB Steinartefakte aus dieser Zeit auf einem 3000 m hohen, erloschenen Vulkan im äthiopischen Hochland, der damit zum weltweit höchstgelegenen Faustkeilfundort avancierte. Die wohl entscheidende Auswanderungswelle des Homo sapiens aus Afrika reicht etwa 70.000 Jahre zurück, und ein weiteres Team des SFB erforscht - zusammen mit den Universitäten Leuven und Heidelberg - am Fundort Sodmein in der ägyptischen Ostwüste gerade diesen Zeitraum an der Brücke zwischen Afrika und Eurasien. Unsere Grabungen belegen günstige Umweltverhältnisse mit üppiger Vegetation für diese Zeit. Spätestens vor 43.000 Jahren hatten die Modernen Menschen sich nach West-Eurasien, vom Jordan bis zur Themse ausgebreitet. Kurz zuvor müssen die Neandertaler, die nun verschwanden noch ihr Populationsmaximum erreicht haben. Im Nahen Osten herrschte zu dieser Zeit ein sehr stabiles Klima, wie SFB-Untersuchungen im Toten Meer und im See Genezareth zeigen. In Europa zeigt sich ein ganz anderes Bild mit einem mehrfachen, schnellen Wechsel zwischen kühlen und sehr kalten Klimaphasen. Dies belegen Bohrungen des SFB im Prespa-See und im Ohrid-See (Makedonien/Albanien) und im einzigen Kratersee Rumäniens, dem Sankt Ana-See.
In denselben Regionen, die der SFB geowissenschaftlich untersucht, werden auch archäologische Ausgrabungen durchgeführt, um Hinweise auf Technologie, Siedlungswesen und insbesondere Mobilitätsmuster der damaligen Jäger und Sammler zu gewinnen. Für den Westen unseres Untersuchungsraumes zeigte sich hierbei, dass zwischen dem Verschwinden der Neandertaler und dem Auftreten der Modernen Menschen ein langer Zeitraum lag, in dem vor allem der Süden der Iberischen Halbinsel ganz ohne menschliche Besiedlung blieb. Auch während des kältesten Abschnittes der letzten Kaltzeit, 23.000-18.000 vor Heute, waren weite Teile Europas menschenleer und wurden erst danach wiederbesiedelt. Solche Rhythmen menschlicher Mobilität setzten sich weit bis in die Zeit der sogenannten sesshaften Gesellschaften fort und bestimmten wesentlich mit, wann und wo Ackerbau, Viehzucht und andere steinzeitliche Innovationen auftraten. Ein Schwerpunkt des SFB besteht darin, solche Phänomene mit Hilfe Geographischer Informationssysteme (GIS) zu rekonstruieren und zu modellieren. Die ist nur durch die Zusammenarbeit verschiedenster Fächer möglich: die Philosophische Fakultät ist mit Arbeitsgruppen aus der Ur- und Frühgeschichte, der Ethnologie und der Philosophie dabei beteiligt. Der SFB ist verknüpft mit dem QSGA (Centre of Quaternary Science and Geoarcheology), das u.a. eine Gastprofessur vergibt. 2017/2018 wirkte Frau Prof. Dr. Maysoon Al-Nahar von der University of Jordan als erste QSGA- Gastprofessorin an unserer Universität.


Text: Jürgen Richter

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Sonderforschungsbereich 806
Prod. Dr. Jürgen Richter