Sviatoslav Drach: „WP CatVis – Eine Webanwendung für Harvesting und Visualisierung des Kategoriensystems der Wikipedia als Wissensordnung“
Bachelorarbeit Cologne Center for eHumanities
Betreuung: Apl. Prof. Dr. Patrick Sahle
Die Arbeit beschreibt die Entwicklung eines Softwaresystems zur Analyse und Visualisierung von Kategoriensystemen in der Wikipedia und bettet dies in eine allgemeine Diskussion von Kategoriensystemen als Wissensordnungen und eine Evaluation verschiedener Visualisierungstypen ein. Sie bedient sich dazu einer doppelten theoretischen Grundlegung: Zum einen klärt sie, was unter angewandten Kategoriensystemen im Rahmen der Wikipedia zu verstehen ist, und zum anderen geht sie der Frage nach, welche Visualisierungsformen für die Darstellung von „Kategorienbäumen“ geeignet sind.
Das in dieser Arbeit entwickelte voll funktionsfähige System zeigt in beeindruckender Weise, wie die zielgerichtet analysierte Ausgangsfrage in ein Softwaresystem übersetzt werden kann, dessen Funktionalität die bisher verfügbaren Tools in der Wikipedia bei weitem übertrifft. Die Arbeit überzeugt durch ihre klare Struktur, die sichere Ausführung und das hohe Niveau der technischen Lösung, die eine breite Palette von Technologien verbindet. Insgesamt zeigt die Arbeit, dass selbst im Rahmen einer BA-Arbeit Ergebnisse erzielt werden können, die einen praktischen Beitrag zum Umgang der Geisteswissenschaften mit digitalen Wissensbeständen liefern.
Nima Mehrabi: „Anfälle und Schwindel statt göttlicher Offenbarung: Eine Untersuchung der Darstellung Muḥammads als Epileptiker“
Bacherlorarbeit Islamwissenschaft
Betreuung: Dr. Stephan Milich
Im Zentrum der diskursanalytisch ausgerichteten Studie steht eine kritische Auseinandersetzung mit dem europäischen Muhammad-Bild in den Werken christlicher wie muslimischer Autoren vom 8. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Fokussiert werden in diesem Zusammenhang vor allem die über Jahrhunderte gepflegten und aus der Perspektive sehr unterschiedlicher Disziplinen immer wieder aufgegriffenen Vorstellungen von einer angeblichen Epilepsie des islamischen Propheten. Dabei sieht der Vf. seine These bestätigt, wonach von einer langfristigen Kontinuität gerade dieses Motivs gesprochen werden kann.
Die vorliegende Arbeit ist im Kontext imagologischer, ideologiekritischer, ideengeschichtlicher, vor allem aber diskursanalytischer Überlegungen zu verorten. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur Erforschung westlicher, d.h. europäischer Vorstellungen über Muhammad und damit zugleich über den Islam. Weit über den Rahmen üblicher Bachelorarbeiten hinausgehend überzeugt die Studie durch ihr breites historisches Spektrum, die souveräne methodische Herangehensweise sowie die sehr systematische Erfassung des Gegenstandes in seiner gesamten Breite. Last but not least verdient die Tatsache besondere Erwähnung, dass der Vf. den aktuellen Forschungsstand nicht nur im Blick hat, sondern in seiner Untersuchung deutlich über diesen hinausgeht und selbständig erarbeitete Ergebnisse präsentiert.
Susanne Hadamczik: „Gesellschaftliches Handeln als Risiko. Zur Instabilität höfischer Gesellschaft in Gottfrieds Tristan“
Staatsexamensarbeit Germanistik (Ältere deutsche Literatur)
Betreuung: Prof. Dr. Monika Schausten
Im Zentrum der Arbeit steht die Auseinandersetzung mit den vielfältigen Darstellungsmodi der höfischen Gesellschaft in Gottfried von Straßburgs Epos Tristan. Obwohl gerade zu diesem Werk bereits umfassende Forschungen vorliegen, gelingt der Verfasserin die Lektüre und Analyse aus einer innovativen Perspektive. Denn anders als der Großteil der bisherigen Forschung blickt Susanne Hadamczik nicht auf die Figur des Protagonisten, sondern auf die höfische Gesellschaft, in der er lebt. Die Vf. fragt dabei weniger danach, ob diese Gesellschaft als eine höfische Idealgemeinschaft gezeichnet ist. Vielmehr interessiert sie sich für deren Instabilität: Inwiefern wird dieser Kreis als eine Gemeinschaft inszeniert, die ihren eigenen Niedergang gerade dadurch fördert, dass sie sich unbeirrt an den Maßstäben höfischen Verhaltens und höfischer Repräsentation orientiert?
Die im Rahmen literaturwissenschaftlicher, kulturhistorischer und soziologischer Herangehensweisen angesiedelte Arbeit beeindruckt durch ihre souveräne und eigenständige Auseinandersetzung mit der Forschungsliteratur sowie durch ihre stringente und klare Argumentation. Sie ist ein großer Gewinn für die interdisziplinär ausgerichtete, kulturwissenschaftlich orientierte Mediävistik.
Tobias Hohmann: „Interkulturelles Geschichtslernen. Eine Schulbuchanalyse zum Thema Migration und Integration“
Masterarbeit Didaktik der Geschichte
Betreuung: Prof. Dr. Holger Thünemann
Tobias Hohmann untersucht in seiner empirisch-didaktisch ausgerichteten Studie, auf welche Weise Migration, Integration und Interkulturalität in vier aktuellen Schulgeschichtsbüchern dargestellt und welche Potenziale für interkulturelles historisches Lernen dadurch eröffnet werden. Vor dem Hintergrund des gültigen Lehrplans werden die Werke zunächst einzeln, danach vergleichend einer sehr differenzierten Analyse unterzogen, deren Kategorien der Vf. auf der Basis einschlägiger Theorien selbst entwickelt hat.
In sehr überzeugender und zugleich immer nachvollziehbarer Weise verbindet der Vf. kultur- und gesellschaftswissenschaftliche mit geschichtsdidaktischen und geschichtstheoretischen Überlegungen, um so die interkulturelle Dimension historischen Lernens und die spezifischen Potenziale des Themenfeldes „Migration“ herauszuarbeiten. Die theoretisch wie methodisch sehr reflektierte Untersuchung weiß nicht zuletzt deshalb zu überzeugen, weil sich der Vf. aus geschichtsdidaktischer Perspektive einer sehr aktuellen und relevanten Thematik gewidmet hat, die er in Auseinandersetzung mit etablierten Forschungspositionen, zugleich jedoch in einer sehr eigenständigen, interdisziplinär ausgerichteten Herangehensweise bearbeitet hat.
Lina Wilhelms: „Habría que inventar un nuevo género policial“. Kapitalismus und Paranoia in Ricardo Piglias Blanco nocturno
Masterarbeit Romanistik
Betreuung: Prof. Dr. Wolfram Nitsch
In ihrer Arbeit setzt sich die Vf. mit dem bislang kaum erforschten Spätwerk des argentinischen Autors Ricardo Piglia und hier insbesondere mit seinem 2010 erschienenen Kriminalroman „Blanco nocturno“ auseinander. Dieser Text überschreitet in mehrfacher Hinsicht die Grenzen der Gattung und kann zugleich als allegorische Darstellung der Zeit der Militärdiktaturen vor Juan Perons zweiter Präsidentschaft gelesen werden. Detektivische Ermittlung, wirtschaftlicher Umbruch und Kritik am Kapitalismus scheinen hier eng aufeinander bezogen. Methodisch und theoretisch bezieht sich die Vf. vor allem auf die gattungs- und diskursgeschichtlichen Untersuchungen des französischen Soziologen Luc Boltanski und dessen marxistisch inspirierter These, wonach die Gattung des Kriminalromans eine tiefgreifende Irritation gegenüber einer Realität verrate, in der die Dynamik des Kapitalismus alle Ordnungskapazitäten des Nationalstaates unterlaufe.
Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um eine in jeder Hinsicht beeindruckende Arbeit auf hohem theoretischem Niveau, die sowohl durch ihren originellen eigenständigen Ansatz wie durch die beeindruckende Kohärenz ihrer Argumente überzeugen kann. Die Vf. hat damit sowohl die Forschung über die Gattung des postmodernen Kriminalromans wie auch über das Spätwerk von Ricardo Piglia um wesentliche Aspekte bereichert.