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SFB 806: „Unser Weg nach Europa: Kultur-Umwelt Interaktion und menschliche Mobilität im Späten Quartär“ (2009-2021)



Der SFB 806 endet nach zwölfjähriger Forschung

Dass der Moderne Mensch aus Afrika stammt, belegen sowohl Fossilien als auch genetische Befunde. Wann und unter welchen Umständen sich die „Out-of-Africa“ Migrationen abspielten und welche Regionen dabei in Verbindung traten, um als „Korridore“ wirksam zu werden, diese Fragen müssen durch Geowissenschaften und Archäologie beantwortet werden. Dieser Aufgabe stellte sich der SFB 806 „Our Way to Europe“ über 12 Jahre hinweg, unter Beteiligung von zeitweise bis zu 85 Wissenschaftler*Innen der Universitäten Köln und Bonn und der RWTH Aachen mit zahlreichen Partnern aus den U.S.A., Afrika, dem Vorderen Orient und Europa.

Das SFB Forschungsprogramm folgte den Korridoren, in denen sich die Wanderungen früher Moderner Menschen von Ostafrika in das westliche Eurasien vollzogen haben könnten. Während der ersten sechs Jahre der Förderperiode haben wir Feldforschungen in Ost- und Nordafrika, dem Vorderen Orient, auf der Iberischen Halbinsel und in Südost- und Mitteleuropa durchgeführt. Während der letzten sechs Jahre haben wir dagegen vergleichende Untersuchungen und die Erstellung verschiedener Modelle in den Vordergrund gestellt, mit denen prähistorische Migrationen simuliert werden können.

In Ostafrika standen zwei Arbeitsbereiche im Zentrum der Feldforschungen des SFB: zum einen Bohrungen in den Sedimenten von Süßwasserseen und zum anderen archäologische Ausgrabungen in Höhlenfundstellen mit umfangreichen Kulturabfolgen. Die Bohrungen ergaben Perioden extremer Trockenheit die insbesondere während der Kaltphasen wirksam waren. Die Ausgrabungen belegten die Bedeutung der Hochgebirgsbesiedlung für den prähistorischen Menschen seit mindestens 300.000 Jahren. Ein weiteres Ergebnis unserer Ausgrabungen war die Erkenntnis, dass sich während der Hochgebirgsbesiedlung vor rund 60.000-50.000 Jahren Erfindungen und Innovationen häuften - darunter möglicherweise die Einführung von Pfeil und Bogen.

Gegenüber der Kulturentwicklung im Osten Afrikas bilden die Ergebnisse aus unseren Feldforschungen in Ägypten in einem deutlichen und überrraschenden Kontrast, denn die Periode der ostrafrikanischen Innovationen findet sich in Ägypten nicht wieder, sondern sie zeigt dort eine kontinuierliche Entwicklung ohne große Brüche. Die Ausgrabungen des SFB in Sodmein Cave erbrachten die einzige über mehrere Jahrzehntausende reichende Kulturabfolge in Ägypten, wobei die meisten Steinartefakt-Inventare aus dieser Fundstelle sich eher mit dem Nahen Osten als mit Ostafrika verknüpfen lassen.

Im vorderen Orient konnte der SFB einen besonderen Erfolg erzielen, nachdem eine 130.000 Jahre umfassende Klima- und Umweltabfolge im Toten Meer erbohrt und ausgewertet werden konnte. Die Ausbreitung von Waldlandschaften seit etwa 130.000 Jahren könnte die nach Norden gerichteten Wanderungen der Frühen Modernen Menschen behindert und begrenzt, und die Auflichtung der Landschaft seit 70.000 Jahren erleichtert haben. Die umweltgeschichtliche Abfolge bildet den Kontext für die Kulturabfolge der Fundstellen, die mit der Einwanderung des Modernen Menschen verknüpft werden können. Die Ausgrabungen im Wadi Sabra zeigten hier Verbindungen nach Nordostafrika, die vor rund 45.000 Jahren endeten, zugunsten einer regionalen Entwicklung des Jungpaläolithikums, nun ausschließlich mit dem Modernen Menschen verbunden.

Etwa zur gleichen Zeit kam es in Südosteuropa zu dramatischen Abkühlungen, wie der SFB insbesondere durch die Untersuchung von Tropfsteinen nachweisen konnte, die präzise datierbare Klima-Informationen speichern. Die Siedlungsplätze dieser Zeit begleiten wie eine Perlschnur die Süd- und Westabhänge des Karapatenbogens, und einige Beispiele solcher Plätze wurden durch den SFB im oberen Temeštal ausgegraben. Der südosteuropäische Siedlungsraum der frühen Modernen Menschen scheint nach unseren Erkenntnissen eher an die Mittelgebirgslagen angelehnt gewesen zu sein als an den Donaulauf, der dort als Korridor zu dieser Zeit archäologisch nicht in Erscheinung tritt.

 Für den Südwesten Europas erhärtete sich demgegenüber immer weiter die Erkenntnis, dass die Straße von Gibraltar keine Rolle für die Ausbreitung des Modernen Menschen gespielt hat, wobei die Meerenge selbst weniger ein Hindernis darstellte als die zeitweise extrem trockene und kühle Nordhälfte der Iberischen Halbinsel.

Nach Erkenntnissen verschiedener Arbeitsgruppen, darunter auch unseres SFB, fällt in das 43. Jahrtausend vor Heute die Ablösung zwischen Neandertaler und Modernem Menschen in Mitteleuropa. Hier zeigte sich, dass die Neandertaler vor ihrem Aussterben ebenfalls eine Phase der Expansion, vergleichbar dem Modernen Menschen, hinter sich hatten. U.a. wurde in den letzten Jahren eine ganz neue Fundprovinz der spätesten Neandertaler am Donaulauf zwischen Südostbayern und Niederösterreich sichtbar gemacht.

 Neben der Ablösung Neandertaler/Moderner Mensch beschäftigten den SFB in Mitteleuropa mehrere weitere Phasen umfangreicher Migrationen: die Entvölkerung und Wiederbesiedlung Mitteleuropas im und nach dem Kältemaximum der letzten Kaltzeit (26.000 bis 18.000 Jahre vor Heute) und die Migrationsdynamik in der Zeit des Neolithikums: auch in der Periode der Sesshaftigkeit hat es umfangreiche Bevölkerungsbewegungen gegeben.

Unter den Modellierungsansätzen der letzten Arbeitsphase des SFB ist besonders die Präzisierung des „Human Existence Potential“ (HEP) und die Rekonstruktion des „Our Way Model“ (OWM) hervorzuheben, das u.a. Erklärungen anbietet, warum die Ausbreitung der frühen Modernen Menschen nach Mitteleuropa hinein gerade durch die kühlen „Stadiale“ in der Mitte der letzten Kaltzeit begünstigt wurden.

Im Sammelband „The Journey of Modern Humans from Africa to Europe“ sind die wichtigsten Ergebnissen des SFB 806 „Our Way to Europe“ zusammengetragen (Weitere Informationen).

Inhaltlicher Kontakt:

Professor Jürgen Richter
Institut für Ur- und Frühgeschichte
j.richter(at)uni-koeln.de

Professor Frank Schäbitz
Institut für Didadktik der Geografie
frank.schaebitz(at)uni-koeln.de

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