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Fakultätspreise für Abschlussarbeiten SoSe 2021


Bachelorarbeiten



Carolin Schmitz, Historisches Institut

Thema: »und also was so große not hie in der stat« Katastrophenerfahrungen im Spiegel der spätmittelalterlichen Augsburger Chronistik

Betreuerin: Prof. Dr. Sabine von Heusinger

Ausgehend von den Erfahrungen mit dem aktuellen Pandemie-Geschehen untersucht Carolin Schmitz in ihrer Bachelorarbeit am Beispiel zweier Augsburger Stadtchroniken die Wahrnehmung, Bedeutung und Bewältigung von Katastrophen im späten Mittelalter. Wenn Seuchen oder Überschwemmung bis heute als kaum beherrschbare Bedrohung wahrgenommen werden, galt das in noch weitaus größerem Maße für die Welt des Mittelalters. Kriege, Epidemien, Stürme oder harte Winter stellten die Menschen vor unmittelbare existentielle Herausforderungen. Verheerende Hungersnöte waren nicht selten die Folge. Zwischen 1433 und 1450 – dem Untersuchungszeitraum der Studie – war die oberdeutsche Region sowohl von anthropogenen Katastrophen (dem süddeutschen Städtekrieg) als auch von schweren Hungerkrisen aufgrund natürlicher Ereignisse betroffen. Wie diese unterschiedlichen Katastrophen wahrgenommen und erklärt wurden, ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit.

Gestützt auf souveräne Kenntnis der einschlägigen Forschungen entwirft Frau Schmitz ein präzises und klar strukturiertes Programm zur Auswertung der Augsburger Chroniken von Burkhard Zink und Hektor Mülich. Dabei beschränkt sie sich nicht auf die Rekonstruktion der zeitgenössischen Katastrophenwahrnehmungen im Rahmen subjektiver Erfahrungskategorien sowie der entsprechenden Bewältigungsstrategien, sondern reflektiert auch die hiermit verbundenen methodischen Herausforderungen für die Geschichtswissenschaft.

Carolin Schmitz hat eine in jeder Hinsicht beeindruckende und qualitativ herausragende Bachelorarbeit im Fach Mittelalterliche Geschichte vorgelegt. Hervorzuheben ist das durchgehend hohe Niveau der Arbeit, der souveräne Umgang mit den Quellen, das selbständige wissenschaftliche Urteil und die sichere sprachliche Form. Insgesamt sticht die Bachelorarbeit von Carolin Schmitz nicht nur hinsichtlich Struktur und Klarheit der Darstellung aus den eingereichten Arbeiten heraus, sondern überzeugt auch aufgrund der eigenständigen Erarbeitung der Ergebnisse sowie des souveränen und reflektierten Umgangs mit den anspruchsvollen spätmittelalterlichen Quellen.
 



Malik Alexander Duven, Institut für Linguistik

Thema: „Einfluss von Geschlecht und Vertrautheitsgrad auf die Organisation des Sprecherwechsels in dyadischen Konversationen des Japanischen – Eine quantitative Korpusanalyse“

Betreuerin: Dr. Gabriele Schwiertz

Die Bachelor-Arbeit von Herrn Duven verknüpft die beiden Studienschwerpunkte des Kandidaten – „Linguistik“ sowie „Japanische Kultur“ –  auf hochproduktive Weise: Der Verfasser zeigt, auf welche Weise Genderrollen sowie soziale Nähe- bzw. Distanzrelationen in konkreten Gesprächssituationen des japanischen Alltags die „Turnübergänge“ [„Turn“ vom englischen „turn“, RJ] zwischen den Sprecherinnen bzw. Sprechern beeinflussen.

Anhand seines Datenmaterials kann Herr Duven deutliche Belege für kommunikative Feedback-Technologien („Backchanneling“) nachweisen und zeigen, wie diese Einfluss auf die Erwartungshaltung der Kommunikationspartnerinnen und -partner sowie deren jeweilige Interaktionsstrategie haben.

Die Arbeit überzeugt zum einen durch ihren für eine Bachelor-Arbeit beeindruckend breiten und sachkundigen Forschungsüberblick sowohl zu den linguistischen Grundlagen und Methoden als auch zur japanischen Gegenwartskultur. Zum anderen sticht sie durch die sichere empirische Umsetzung der Forschungsfrage hervor. Diese stützt sich auf einen empirischen Datensatz aus dem einschlägigen Japanese Natural Conversation Corpus (BTSJ) und zeigt sich auch auf dem Gebiet der statistischen Auswertung als überaus versiert und sicher. Insbesondere der reflektierte Umgang mit den unterschiedlichen Einflussvariablen in konkreten Kommunikationssituationen macht die Ergebnisse der Untersuchung auch für den fachfremden Leser gut nachvollziehbar.

Die formal wie argumentativ schlüssige und anschauliche Darstellung liefert eine überzeugende Analyse der komplexen sprachlichen Zusammenhänge und bewegt sich durchweg auf einem Leistungsniveau, das weit über dem Durchschnitt der meisten Bachelorarbeiten liegt. Positiv hervorzuheben ist auch, dass Herr Duven seine Ergebnisse bereits online öffentlich zugänglich gemacht hat. Alles dieses soll heute mit der Verleihung des Fakultätspreises gewürdigt und anerkannt werden.
 


Masterarbeiten



Lukas Doil, Historisches Institut

Thema: „Technology Assessment“. Der frühe Technikfolgendiskurs als transnationale Wissens‐ und Zeit‐Geschichte (1966‐1984)

Betreuer: Prof. Dr. Habbo Knoch

Lukas Doil beschäftigt sich in seiner Arbeit „Technology Assessment. Der frühe Technikfolgendiskurs als transnationale Wissens- und Zeit-Geschichte (1966–1984)“ mit einem internationalen Wissensfeld, das die Zukunftserwartungen der Menschen auf besondere Weise prägte.

In den frühen 1970er Jahren endete die prosperierende und von ungebremstem Zukunftsoptimismus getragene Nachkriegszeit. Auch das Vertrauen in die technische Optimierbarkeit der Welt, für das stellvertretend die Utopie des „Atomzeitalters“ und die spektakulären Erfolge der Raumfahrt stehen können, war einem rapiden Erosionsprozess ausgesetzt. Statt der Verheißungen standen mehr und mehr die Grenzen und die problematischen Folgen wirtschaftlichen Wachstums und „technischen Fortschritts“ zur Debatte.

In diesem historischen Kontext ist der Gegenstand der MA-Arbeit von Lukas Doil zu verorten, die sich mit den Anfängen der Bemühungen befasst, die möglichen Konsequenzen technischer Entwicklungen und Innovationen systematisch zu antizipieren und mit wissenschaftlichen Methoden zu erforschen, um unerwünschte Auswirkungen im Idealfall durch politische Steuerungseingriffe zu vermeiden.

Herr Doil untersucht die Bewertungen von technischen Entwicklungen im Sinne von Ordnungsvorstellungen, die Gesellschaften strukturieren und einen spezifischen Denkstil ausbilden. Technikfolgenabschätzung wird hierbei nicht nur als wissenschaftliches und politisches Phänomen diskutiert, sondern als umfassenderer Diskurs in den Blick gebracht, der beispielsweise auch Fragen der Ökologie und der Atomenergie umfasst.

Der Verfasser geht das Thema mit großer Sachkunde, auf äußerst breiter Quellen- und Literaturgrundlage, methodisch avanciert und mit komplexen Theoriebezügen an. Über die quellengestützte Rekonstruktion des frühen Technikfolgendiskurses hinaus entfaltet er ein theoretisch-methodisches Modell der „Chronopolitik“, das angetan ist, die historische Diskussion zu den Arten und Weisen, wie Wirklichkeit und Zukunftsvorstellungen sprachlich ausgehandelt und sozial konstruiert werden, nachhaltig zu befruchten. Will man verstehen, wie technische Entwicklungen interpretiert und Zukünfte avisiert wurden und werden, dann bietet die Studie von Herrn Doil einen exzellenten Leitfaden
 



Julia Pape, Institut für Katholische Theologie

Thema: Narratologisch‐ambiguitäts‐sensible Exegese am Beispiel der markinischen Kreuzigungsszene

Betreuer: Prof. Dr. Andreas Michel

„Mein Gott, mein Gott, wozu verließest du mich?“ – So überliefert das Markusevangelium die letzten Worten Jesu‘ am Kreuz. In nuce wird in diesem Satz fassbar, was Julia Pape in ihrer Masterarbeit mit großer Akribie und Sachkunde erforscht: Die bald irritierende, bald provozierende, den Leser und die Gläubigen herausfordernde Uneindeutigkeit dieses Zentraltextes der neutestamentarischen Überlieferung. Vertrauensvolle Bindung und völlige Verlassenheit werden zugleich artikuliert. „Ambiguität“ gehört zu den Grunderfahrungen menschlicher Existenz und – so die überzeugend entwickelte und im Detail am Textmaterial gezeigte These der Verfasserin – sie durchzieht auch die markinische Überlieferung der Kreuzigungsszene.

Julia Pape liefert in ihrer Masterarbeit „Narratologisch-ambiguitätssensible Exegese am Beispiel der markinischen Kreuzigungsszene“ einen wichtigen Beitrag zum Verständnis und zur Interpretation dieses biblischen Textes und geht dabei deutlich über die bestehende Literatur hinaus. Von einem weiten hermeneutischen Horizont aus arbeitet sie sowohl diachron wie synchron, um aus beiden Perspektiven heraus mögliche Ambiguitäten im Markusevangelium zu identifizieren und in kommunikativ-pragmatischer Hinsicht zu gewichten.

Sie benutzt dafür neuartige Analyseparameter und setzt sich philologisch genau mit dem griechischen Originaltext auseinander. Argumentativ geht es darum, die Ambiguitäten in der Kreuzigungsszene sichtbar zu machen und zu analysieren, was diese für die Rezeption des biblischen Textes und bedeuten. Durch die Verbindung von großer Sensibilität für historische Texte und Traditionslinien, die feinteilig analysiert werden, mit einer systematischen Argumentation, die neue Sichtweisen auf alte Probleme erlaubt, erweist sich die Arbeit von Frau Pape als eindrückliches Beispiel einer zeitgemäßen und innovativen Umgangsform mit der biblischen Überlieferung.

Masterarbeit (PDF)
 



Marcel Schaeben, Institut für Digital Humanities

Thema: Software prototyping as a research method in digital philology: Exploring Marco Polo’s textual transmission and reception through map‐based visualisations of toponymic variance

Betreuer: Prof. Dr. Øyvind Eide

Die ebenso originelle wie experimentelle Masterarbeit von Herrn Schaeben hat das Ziel, mit Verfahren des sog. „software prototyping“ neue Methoden der philologischen Forschung und der Präsentation ihrer Resultate auszuloten und an einem konkreten empirischen Fall zu erproben. Der Verfasser transferiert hierzu das in der Softwareentwicklung etablierte Verfahren iterativ-experimenteller Programmentwicklung in den Kontext der Digital Humanities. Die Konstruktion und Anwendung von Softwareprototypen wird nicht nur als handwerklich-praktisches Verfahren der Softwareentwicklung verstanden, sondern als eine wissenschaftliche Forschungsmethode, die strukturelle und prozedurale Ähnlichkeiten zur klassischen Hermeneutik aufweist.

Dieser Ansatz wird in einem ersten Teil der Arbeit mit dichtem Bezug auf die Spezialliteratur theoretisch entworfen, im zweiten Teil auf ein konkretes Beispiel angewandt – es geht um die Visualisierung der Schreibvarianten von Ortsnamen in frühen deutschsprachigen Textüberlieferungen der Reisebeschreibung des Marco Polo – und in einem dritten Teil hinsichtlich seiner Reichweite und Grenzen als Forschungsmethode diskutiert.

Die von Marcel Schaeben entwickelten Überlegungen zum „software prototyping“ im Kontext der Digital Humanities erlauben es nicht nur, wissenschaftliche Editionen mit Visualisierungen zu verbinden, was erheblich zur Anschaulichkeit und Verstehbarkeit komplexer Inhalte beiträgt. Zugleich verspricht dieser Zugriff auch einen originären Forschungsertrag, denn die entscheidende Hintergrundannahme ist, dass sich überlieferte Schreibvarianten von Ortsnamen in Abhängigkeit von der Welt- und Begriffskenntnis ihrer jeweiligen Autoren verändern. Diese Hypothese wird in der Arbeit anhand einer frühneuhochdeutschen Marco Polo-Übersetzung quellenbasiert überprüft. Indem die Befunde unter Nutzung verschiedenen historischer Karten visualisiert werden, gelingt es, die „mental maps“ der Schreiber zu rekonstruieren. Mit seiner multimethodischen und interdisziplinär anschlussfähigen Kombination klassischer Perspektiven der Geisteswissenschaften mit neuen technologischen Mitteln trägt Herr Schaeben vorbildlich zum Fortschritt der Digital Humanities bei.