Bild: Patric Fouad
Examensfeier Wintersemester 2022/2023
Fakultätspreise für Abschlussarbeiten
Bachelorarbeiten
Eva Zirker, Englisches Seminar I
„‘I am, I am, I am’ – The Reconciliation of Discipline and Deviance in Sylvia Plath’s The Bell Jar“
Betreuerin: Jun.-Prof.' Dr.' Judith Rauscher
Die sehr eloquente und klar aufgebaute Arbeit analysiert Lebenssituation und Verhalten der weiblichen Hauptfigur von Sylvia Plaths Roman The Bell Jar anhand einer an Michel Foucaults Überlegungen zur machtgesteuerten Konstruktion von Ordnungskategorien wie geistiger Gesundheit vs. Krankheit ausgerichteten Betrachtung dreier zentraler Motivgruppen der Romanhandlung: Sexualität, Heirat und Mutterschaft, Konsum und Leistungsgesellschaft, Psychopathologie und psychiatrische Einrichtungen. Die Verfasserin argumentiert im Hauptteil mit systematisch orientiertem Blick auf die genannten Motive und Handlungsstränge überzeugend dafür, daß die Identitätskrise und „Krankengeschichte“ der Hauptfigur keine individuelle Problematik, sondern den Konflikt mit patriarchalen Gesellschaftsstrukturen und kulturellen Mustern zur Darstellung bringen. Dieser Befund wir in einem vorgeschalteten Kapitel durch eine sekundärliteraturbasierte Zusammenschau relevanter Beobachtungen zur politischen, sozialen und kulturellen Situation in den Vereinigten Staaten der 1950er Jahre kontextualisiert. Insgesamt stellt die Bachelor-Arbeit von Frau Zirker eine theoretisch anspruchsvoll fundierte Romananalyse dar, die die konfliktbeladenen Aspekte der Abweichung und Disziplinierung anschaulich entfaltet.
Bachelorarbeit (PDF)
Lukas Neuheuser, Historisches Institut, Nordamerikanische Geschichte
„Forced into Gray Flannel Suits: Eine Untersuchung der Kritik der 1950er Jahre am Verschwinden der Individualität in der amerikanischen Middle-Class anhand des Romans "The Man in the Gray Flannel Suit"“
Betreuerin: Prof.' Dr.' Anke Ortlepp
Die klar strukturierte und argumentierte Arbeit untersucht den amerikanischen Roman The Man in the Gray Flannel Suit von Sloan Wilson als Indikator für Entfremdungserscheinungen in der amerikanischen Mittelschicht der 1950er Jahre. Der fiktionale Text wird dabei in Dialog gebracht mit drei sozialkritischen Untersuchungen der Epoche: David Riesmans The Lonely Crowd (1950), The Organization Man von William H. Whyte (1956) und One-Dimensional Man von Herbert Marcuse (1964). Gestützt auf dieses Korpus wird der zeitgenössische Blick auf den Verlust von Individualität anhand mehrerer Themenfelder – Geschlechterrollen, Freundschaftsverhältnisse, Arbeitsbedingungen – beschrieben. Besonders reizvoll erscheint dabei, daß Ursachenanalyse und Kritik der theoretischen Texte am fiktiven Beispielfall gemessen werden, ohne daß dabei sachwidrig eine abschließende Beurteilung der verschiedenen Perspektiven gesucht würde. Immerhin werden so bestimmte blinde Flecken in manchen theoretischen Texten deutlich, etwa die Ausblendung der Kriegserfahrung. Das Erstgutachten hebt hervor: „Die vorliegende Arbeit stellt eigenständige Forschungsleistung dar. Der Verfasser bearbeitet ein originelles Thema und arbeitet es hervorragend auf. Er hat klar definierte Fragestellungen und Untersuchungsziele, legt eine schöne Erzählung vor und liefert überzeugende Untersuchungsergebnisse.“
Bachelorarbeit (PDF)
Masterarbeiten
Moritz Angenendt, Institut für Medienkultur und Theater
„Algorithmisch gestützte Regulierung in sozialen Medien“
Betreuer: Prof. Dr. Stephan Packard
Die Masterarbeit greift ein wissenschaftlich und gesellschaftlich sowie nicht zuletzt juristisch hochaktuelles Thema auf, indem sie die technologischen und politischen Implikationen der Überwachung und ggfs. sogar Zensur von Inhalten in sozialen Medien analysiert. Die Analyse dieser Regulierungsverfahren gelangt dabei zu einer Reihe eigenständiger Beobachtungen und Konzepte, die über den bisherigen Forschungstand hinausgehen, so daß das Erstgutachten sogar eine Publikation der Masterarbeit vorschlägt. Methodisch basiert die Arbeit auf Foucaults Theorien zur Überwachungsgesellschaft, erweitert dabei aber medientheoretisch präzise die Frage nach der Ordnung des Diskurses um diejenige der Netzwerke. Im Analyseteil werden dann vier Zielscheiben algorithmischer Regulierung (Nacktheit, Hate Speech, Fake News, Einschränkung von Sichtbarkeit) und die Folgen solcher Praktiken für die Meinungsbildung von Nutzerinnen und Nutzern sozialer Medien (allen voran ‚Blasen‘ sowie Debatten über Meinungsfreiheit) beschrieben. Besonders anschaulich gelingt es Herrn Angenendt, die problematische Relation technologischer und menschlicher agency im Spannungsfeld zwischen autonomen Algorithmen und Regulierungspraktiken zu entwickeln.
Max Gaida, Historisches Institut, Nordamerikanische Geschichte
„Policing Freed People: African American Police Officers in the Reconstruction Era Black Press”
Betreuerin: Dr.' Silke Hackenesch
Die Arbeitet rekonstruiert die Rolle schwarzer Polizisten in den USA nach dem Bürgerkrieg und ist somit ein Beitrag zur historischen Rassismusforschung bzw. genauer: zur Frage, wie die institutionelle Einbindung ehemaliger Sklaven in der black press des späten 19. Jahrhunderts beobachtet wurde – ein Thema, das bislang erst wenig behandelt wurde und für das wenig Quellen vorliegen. Diesem Quellenproblem begegnet der Verfasser durch eine exemplarische Analyse von Zeitungsberichten aus New Orleans, denen die zentralen Konfliktlinien entnommen werden können, die entstehen, wenn Mitglieder einer gesellschaftlich diskriminierten Minderheit als Repräsentanten staatlicher Gewalt fungieren. Besonders überzeugend ist dabei die diskursanalytische Grundlegung der Untersuchung, die präzise nachzeichnet, welche rassistischen Stereotypen dabei auch in der afroamerikanischen Presse beobachtet werden können. Auf diese Weise ist die Masterarbeit von Herrn Gaida eine materialreiche Pionierstudie innerhalb eines bislang kaum beachteten Forschungsfelds.
Masterarbeit (PDF)
Dana Elena Harms, Institut für Ethnologie
„The Social Making of Futures: Planning for Uncertainties”
Betreuerin: Prof.' Dr.' Michaela Pelican
Die Arbeit diskutiert die Problematik von Zukunftsplanung und Zukunftsentwürfen in prekären Lebenslagen des Global South anhand zweier Feldaufenthalte der Verfasserin in Yaoundé/Kamerun in den Jahren 2018 und 2019. Sie ist damit in einem weiten Forschungsgebiet verortet, das neben ethnographischen auch soziologische Fragen berührt, und erschließt für die Diskussion des Umgangs mit einer kontingenten Zukunft eine neue Datengrundlage: Die Analyse erfolgt anhand dreier Fallstudien, die hinsichtlich unterschiedlicher Lebenssituationen und Karriereplanungen der Befragten differenziert werden. Das Ergebnis dieser Fallstudien lautet einerseits, daß das Risikomanagement der drei befragten Personen nicht im Beseitigen der Unsicherheit der Zukunft zu sehen ist, sondern im Erlernen von Routinen für den Umgang mit ihnen; und andererseits, daß soziale Umstände dabei kein eindeutiges Kausalverhältnis für diese Planungen zugesprochen werden kann. Die Arbeit belegt auf diese Weise die Möglichkeit, schon auf der Ebene einer Master-Arbeit eigenständige Feldforschungen durchzuführen und die erhobenen Daten anschaulich zu präsentieren.
Masterarbeit (PDF)