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Fakultätspreise für Abschlussarbeiten SoSe 2022


Bachelorarbeiten



Phillip Pauli, Historisches Institut

Thema: Geschichte und Vernunft in der Kritik von Immanuel Kant

Betreuer: Prof. Dr. Wolfgang Hasberg

Zentrales Ansinnen von Phillip Paulis Bachelorarbeit ist, in Schriften Immanuel Kants eine verstreute Geschichtstheorie des Philosophen ausfindig zu machen. Hierzu wendet er sich nicht Kants Hauptwerk einer transzendentalen Erkenntnistheorie zu, sondern weniger bekannten Texten, die eine historisch-praktische Orientierung aufweisen, so z.B. die Aufsätze »Der Streit der Fakultäten in drey Abschnitten« oder »Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis«.

Die besondere Leistung des Verfassers besteht darin, trotz der in der Forschung stets im Vordergrund stehenden systematischen Dimension von Kants Denken die Frage nach dem Historischen als ebenfalls virulent aufzuzeigen und sichtbar werden zu lassen. Pauli schafft es, ein Kantisches Spannungsfeld zu identifizieren, das sich zwischen historischer Narration, empirischer Quellenarbeit und ‚großer Erzählung’ aufspannt.

Damit gelingt der Bachelorarbeit ein genuiner Beitrag zur historischen Epistemologie. Herr Pauli schreckt dabei auch nicht vor elaborierten Forderungen zurück, so z.B. dem Postulat, die Disziplin der Geschichtswissenschaft müsse sich — angesichts der Ausführungen zu Kant — wiederum selbst transzendental reflektieren.

Die Arbeit, weit über den Erwartungen an eine solche Qualifikationsschrift liegend, weist nicht bloß einen ausgeklügelten Fußnotenapparat und ein voluminöses Literaturverzeichnis auf, sondern besticht vor allem durch eine präzise Begriffsarbeit und eine komplexe, dabei immer aber auch luzide, Formulierungsgabe. Aus diesem Gründen erhält Herr Pauli den Preis der Fakultät.

Bachelorarbeit (PDF)



Anton Vogt, Institut für deutsche Sprache und Literatur I

Thema: Ungewohnt Gewöhnliches. Normalistische Ordnung und Form des ‚sanften Gesetzes’ in Adalbert Stifters „Der Nachsommer

Betreuerin: Prof.' Dr.' Anja Lemke

Herr Vogt widmet sich in seiner Arbeit der Frage, warum im bürgerlichen Realismus des 19. Jahrhunderts Texte erfolgreich sein konnten, die von Ereignisarmut und Spannungsmangel geprägt sind. Er setzt sich zu diesem Zweck mit der Vorrede zur Erzählsammlung „Bunte Steine“ des österreichischen Autors Adalbert Stifter aus dem Jahr 1852 auseinander, in der Stifter angibt, sich an dem sogenannten „sanften Gesetz“ zu orientieren. Darunter versteht er die Tatsache, dass das Leben zum größten Teil aus alltäglichen und unspektakulären Routinen besteht und dramatische Ereignisse die Ausnahme seien.

Dieses Bekenntnis zum unspektakulären Erzählen verknüpft Anton Vogt mit der Entwicklung statistischer Methode, wie sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts in den entstehenden Sozialwissenschaften vorangetrieben wird. Stifters Poetik, so zeigt die Arbeit anschaulich, entsteht vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Erforschung von Durchschnittswerten und entwickelt Erzählverfahren, die sich mit Jürgen Links Thesen zum gesellschaftlichen Normalismus lesen lassen.

In seiner detaillierten Analyse von Stifters Roman Der Nachsommer von 1857 zeigt Anton Vogt, dass diese normalistischen Erzählverfahren aber vor allem als Kompensation einer gesellschaftlichen Krisenerfahrung zu lesen sind. Stifters langatmiges und mitunter auch langweiliges Erzählen wird somit auch hinsichtlich seiner ästhetischen Form als ein Verfahren der Risikoabsicherung gegen die Kontingenz der modernen Lebenswelt interpretiert.

Damit hat Herr Vogt eine Bachelor-Arbeit vorgelegt, die aufzeigt, auf welche Weise die Analyse literarischer Texte zum Verständnis mentalitäts- und gesellschaftsgeschichtlicher Zusammenhänge beitragen können, und aufgrund dieser vorbildlichen Leistung verdient er den Preis der Fakultät.


Masterarbeiten



Sarah Conrads, Institut für Altertumskunde

Thema: Edition, Kommentar und Übersetzung der ersten beiden Kolumnen des Carmen de Bello Actiaco (PHerc. 817)

Betreuer: Prof. Dr. Jürgen Hammerstaedt

Frau Conrads ediert die erhalten gebliebenen Teile einer lateinischen Dichtung, die sich in einer Buchrolle in der Bibliothek von Napoli findet. Es handelt sich dabei um ein nur noch z.T. lesbares Fragment, dessen Bedeutung allerdings in der Forschung für die Geschichte der Dichtkunst schon lange sehr hoch eingeschätzt wird. PHerc. 817, in dem der Carmen de Bello Actiaco enthalten ist, gilt als der bedeutendste lateinische Papyrus der herkulanensischen Bibliothek.

Auf der Basis von multispektralen Scans des Papyrus, die in jüngerer Zeit erstellt wurden, um dessen Lesbarkeit zu erhöhen, unternimmt Sarah Conrads eine Neuedition der ersten beiden Kolumnen des Gedichts, die sie außerdem ausgiebig kommentiert. Diese Masterarbeit leistet einen wichtigen Beitrag zur Forschung.

Bei der Diskussion um die Textkonstitution behandelt Frau Conrads sehr umfassend Metrik, Versbau, Morphologie, Syntax der editierten Kolumnen und berücksichtigt dabei stets die umfangreiche Forschungsliteratur, der sie eigene, gut nachvollziehbare Positionen hinzufügt und stets ein ausgewogenes Urteil fällt. Ihre Interpretation des durch die erhaltenen Verse zu erschließenden erzählerischen Fortgangs bettet sie gut in die historischen Hintergründe der in den beiden Kolumnen beschriebenen Einnahme der am östlichen Nildelta gelegenen Stadt Pelusium ein.

Insgesamt handelt es sich bei der Arbeit von Frau Conrads um einen Beitrag zur Forschung, deren Ergebnisse es verdienen, publiziert zu werden, und der damit weit über die üblichen Erwartungen an eine Masterarbeit hinausgeht.



Dilara Demirdögen, Institut für deutsche Sprache und Literatur II

Thema: Wie rezipieren Kinder Bilderbuch-Apps? Eine explorative Studie zu literarästhetischen Erfahrungen mit digitalen Kinderbüchern

Betreuer: Prof. Dr. Michael Staiger

Dilara Demirdögens Masterarbeit widmet sich mit der Untersuchung der pädagogischen Potentiale von Bilderbuch-Apps im Kontext des literarästhetischen Lernens in der Grundschule – und somit einem zentralen Desiderat der Deutschdidaktik.

Ausgehend von einer ausführlichen und reichhaltigen Darstellung des Forschungsstands zur Differenz von Lesekompetenz und literarischer Kompetenz wird letztere in ihrem Gehalt als ästhetisches Erlebnis eines rezipierenden Subjekts stark gemacht. Die theoretischen Reflexionen der Masterarbeit werden auf hervorragende Weise mit qualitativ-empirischer Forschung verbunden, die mit großem Aufwand betrieben wurde. So vergleicht Frau Demirdögen die ästhetische Aneignung von Kindern im Fall der Bilderbuch-App »Die große Wörterfabrik« mit derjenigen von deren Print Pendant. Hierbei kommt die Verfasserin zu ausdifferenzierten Folgerungen, bei denen einerseits die interaktiven, audiovisuellen und narrativen Dimensionen der App herausgearbeitet und in ihren Qualitäten betont werden. Andererseits legt die Rezeptionsweise des Buchs den Schluss nah, dass hier detailliertere und komplexere Implikationen für die kindlichen Leser:innen zu beobachten sind. Die Verfasserin betont daher, dass es einen dringenden Handlungsbedarf in Wissenschaft und schulischer Praxis gebe, was den Einsatz solcher Apps für das literarästhetische Lernen angeht.

Die Masterarbeit besticht durch ein klug konzipiertes Forschungsdesign, eine vorbildliche Verbindung von Theorie und Empirie sowie durch eine prägnante, stets auf Verständlichkeit ausgerichtete Sprache. Schließlich versteht sie es, ihre Ergebnisse in einer plausiblen didaktischen Forderung zu bündeln, und wurde aus diesen Gründen von der Jury für preiswürdig erachtet.



Lukas Laureck, Allgemeine Sprachwissenschaft, Institut für Linguistik

Thema: Converbs in the Wagi dialect of Beria

Betreuerin: Prof.' Dr.' Birgit Hellwig

In seiner Masterarbeit untersucht Lukas Laureck Konverben im Wagi Dialekt des Beria (Nilo-Saharanisch, Sudan und Tschad), d.h. von abhängigen nicht-finiten Verbformen mit adverbialer Funktion. Er stützt sich dabei auf einen Korpus primärer Daten, die über lange Jahre von Studierenden der Linguistik an der UzK zusammengetragen wurden. Herr Laureck war an dieser Datensammlung beteiligt.

Die empirische Untersuchung überzeugt sowohl in der Debatte der Forschungsliteratur zu Konverben, die einige Unklarheiten aufweist, als auch im Hinblick auf den empirischen Teil zu Konverben im Wagi. Herr Laureck nähert sich dem Wagi über eine Diskussion der Konverben im Beria, um dann den Datenkorpus, der sowohl aus natürlichsprachlichen Daten aus dem Korpus (narrative Monologe) als auch aus elizitierten Daten besteht, die Herr Laureck mit zwei Muttersprachlern des Wagi gezielt zu Konverben erhoben hat.

Die Analyse der Konverben ist auch deshalb wichtig, weil es zum Wagi noch kaum Forschung dazu gibt und zudem zum Beria insgesamt noch einige Unklarheiten in Bezug auf tonologische und grammatikalische Strukturen der Sprache bestehen. Mit seinem Forschungsbeitrag leistet Herr Laureck also Grundlagenarbeit, auf der nun weitere Fragen aufsatteln können. Seine Ergebnisse zeigen, dass es im Wagi nur eine einzige Konverbserie gibt, während das Kube, ein anderer Dialekt des Beria, zwei Konverbserien hat. Außerdem nimmt Herr Laureck eine morphologische Analyse der Konverben vor und stellt erste Beobachtungen zu tonalen Veränderungen in den Konverben an. Schließlich identifiziert er verschiedene produktive, grammatikalisierte und lexikalisierte Funktionen.

Für diese herausragende Leistung erhält er den Preis der Fakultät.

Masterarbeit (PDF)

 

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